Deutsche Rüstungspolitik – Konsequent im Dienste des Kapitals

Nachdem letzte Woche die Verbindungen der DHBW mit der Waffenindustrie dargestellt wurden, soll sich der heutige Blogbeitrag mit der deutschen Rüstungspolitik beschäftigen. Nach welchen Werten und Normen wird die Waffenpolitik gemacht? Welche gesetzlichen Vorgaben ergeben sich daraus? Werden diese Vorgaben konsequent durchgesetzt oder lässt die Politik den Konzernen mal wieder Schlupflöcher?

Die schwarz-rote Bundesregierung hat im Jahr 2019 ein Dokument verabschiedet, in dem die überarbeiteten Grundsätze des Waffenexports aus der Bundesrepublik dargestellt sind. Die Bundesregierung bezeichnet ihre Motivation für dieses Dokument, dass sie die Rüstungsexportpolitik weiter restriktiv gestalten möchte und die zur Ausgestaltung nötigen Beschränkungen weiter verschärfen möchte. Vom grundsätzlichen Prinzip her folgen diese Punkte auch dieser Idee: Die Freigabe der Waffenexporte soll nur in Länder geschehen, in denen keine Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Die importierenden Einrichtungen sind verpflichtet, die Waffen nicht weiterzugeben. Dies soll sogar kontrolliert werden. Ebenso soll keine Technologie exportiert werden, um in menschenrechtsverletzenden Staaten den Aufbau einer Produktion zu ermöglichen. Das Ganze hört sich vom Prinzip her erstmal so an, als sei der Begriff „restriktiv“ mehr oder minder zutreffend. Leider offenbaren diese Grundsätze dann doch schon einige Schlupflöcher, die durch die Bundesregierung eingebaut wurden.

Eines dieser großen Schlupflöcher für die Waffenindustrie wurde in Form des Absatzes zur Stärkung der europäischen Rüstungskooperation manifestiert. In diesem wird festgeschrieben, dass die Exportbeschränkung von in europäischer oder in NATO-Kooperation produzierten Waffen nach dem de-minimis Prinzip erfolgt: Die Bundesregierung behält sich Beschränkungen vor, wenn ein bestimmter Anteil in Deutschland produziert wurde. Das öffnet Tür und Tor für die Kapitalist*innen der Waffenindustrie, um über dubiose Kooperationen mit anderen Firmen innerhalb der EU oder der NATO, Waffen in Staaten mit prekärer Menschenrechtssituation zu verschicken.

Der generelle Formulierungsstil des Papiers ist, ähnlich wie im oberen Beispiel, sehr vorsichtig. Nach dem Motto „Alles kann, nichts muss“ werden schwammige Vorschriften formuliert, die dann in der Praxis eingehalten werden können. Auf dem „Können“ liegt dann hier auch die Betonung. All dies zeigt doch deutlich, dass der deutsche Staat kein Interesse hat, im Sinne der Menschlichkeit und des Friedens auf der Erde zu agieren: Zu groß sind die Kapitalinteressen, die an diesem blutigen Geschäft hängen.  Nach der Maxime Wirtschaftswachstum um jeden Preis werden die Bevölkerungen des globalen Südens und der globalen Krisengebiete systematisch ins Chaos gestürzt.

Diese politische Grundhaltung zeigt sich noch deutlicher, wenn die konkrete Gesetzesgrundlage unter die Lupe genommen wird: Anstelle eines transparenten und klar definierten Gesetzestextes verteilen sich die deutschen Waffenexportbeschränkungen auf eine Vielzahl von Gesetzestexten: Die wichtigsten sind das Außenwirtschaftsgesetz, die Außenwirtschaftsverordnung sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz. In der deutschen Gesetzeslandschaft ist das nun zunächst mal nicht ungewöhnlich. Dennoch sind erneut gerade die Absätze zur Waffenexportkontrolle nicht ausreichend genau formuliert. In Kombination mit der Verteilung auf verschiedene Gesetzbücher ergibt das eine Rechtslage, die vor lauter Löchern nicht klar zu erkennen und schon gar nicht klar anzuwenden ist. Dies alles zeigt: Die rechtlichen Vorgaben haben nur vordergründig die Aufgabe, Waffenexporte zu erschweren beziehungsweise sie in bestimmten Situationen zu verhindern. Tatsächlich bauen diese Vorgaben Brücken, um den Export von Waffen zu erleichtern. Es zeigt sich: Auch in der Politik der Bundesregierung stehen die Interessen des Kapitals über Menschenleben!

Abschließend noch ein kurzes Beispiel, wie einfach es für die Kapitalist*innen der Rüstungsindustrie ist, diese Vorgaben zu umgehen.

Der deutsche Kleinwaffenproduzent SIG Sauer hat im vergangenen Jahr Pläne zum Aufbau einer Waffenproduktion in Brasilien veröffentlicht, die von der Bundesregierung legitimiert wurden. Brasilien, ein Land in dem in letzter Zeit jedes Jahr um die 50.000 Menschen ermordet wurden. Ein Land, in dem jeder 10. Mord auf das Konto der Polizei geht. Durch die faschistische Regierung des amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro wird Brasilien gerade geöffnet für die internationale Waffenindustrie, nachdem die vorhergehende Regierung über ein Jahrzehnt versucht hatte die ausufernde Waffengewalt in den Griff zu bekommen und den Waffenmarkt stark beschränkt hatte. Die Pläne der brasilianischen Regierung kamen wie gerufen für Konzerne wie SIG Sauer; waren die sowieso schon laschen Beschränkungen in Deutschland immer noch ein Dorn im Auge der Unternehmen. So kann der Konzern nun in Brasilien produzieren, um von dort Waffen weiterhin ohne Beschränkungen in sämtliche Kriegsgebiete dieser Erde zu liefern und an diesen Kriegen mitzuverdienen. Wichtig ist noch, dieses Beispiel ist kein Einzelfall. SIG Sauer kooperiert nicht mit der DH, dennoch ist dies ein geeignetes Beispiel, um zu zeigen, wie einfach sich die Gesetzeslage ausnutzen lässt. Wer mehr über Umgehungen von mit der DH kooperierenden Unternehmen erfahren möchte, sollte sich unsere Blogbeiträge über Heckler & Koch und Rheinmetall anschauen.

Für uns ist klar: Die Fehler, die gemacht wurden, wurden nicht zufällig gemacht. Die Fehler liegen auch nicht in den Details der Waffenexportbeschränkungen oder unglücklich entschiedenen Einzelfällen. Der Fehler ist das System, in dem wir alle leben: dem Kapitalismus. In diesem System ist es nicht das Ziel, dass alle Menschen in einer gerechten und friedlichen Welt leben können. In diesem System zählt es einzig und allein, das eigene Kapital und den eigenen Profit zu maximieren. Und die Kooperation der deutschen Politik mit der deutschen (Waffen-)Industrie ist dafür ein Vorzeigebeispiel. Schluss mit der Praxis des Profits über Leichen! Eine konsequente Waffenpolitik muss jetzt von uns erkämpft werden! Denn: Das Kapital und damit auch die Politik werden ihre Machtposition nicht freiwillig aufgeben.

Für uns ist ebenso klar: Als Studierende wollen wir nicht an einer Hochschule studieren, die diese Maxime mitträgt. An dieser Stelle sei nochmal gesagt:

Zivilklausel für die DH – Jetzt und für immer!

Welche drastischen Konsequenzen diese Politik hat, wird von uns nächste Woche beim Thema Flucht beleuchtet.

https://blog.prif.org/2019/07/04/sind-die-uberarbeiteten-politischen-grundsaetze-der-bundesregierung-fuer-den-export-von-kriegswaffen-und-sonstigen-ruestungsguetern-tatsaechlich-restriktiver

https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/menschenrechte-gesellschaft/im-land-der-toedlichen-polizeigewalt-sig-sauer-will-kuenftig-auch-in-brasilien-produzieren

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2019/20190626-bundesregierung-beschliesst-politische-grundsaetze-fuer-ruestungsexporte.html